Herzlich Willkommen bei einer neuen Folge von Görn meets...
Nachdem in der letzten Folge unser Held grandios den verzweifelten
Anbaggerung
versuchen von Muse wiederstehen konnte, trifft der VIP Kenner in der heutigen Ausgabe den Literaturnobelpreisträger Günter Grass:
Schon etwas nervös begab ich mich vor die heiligen Hallen des Goethe-Instituts Lissabon, eine deutsche Insel mitten in Lissabon. Hierher komme ich mich normalerweise zum Zeitungslesen und Bücherausleihen, bin ich doch Mitglied im einzigartigen Goethe Club. Hin und wieder genieße ich im Garten des Instituts den einzigen dauersprudelnden Quell deutschen Bieres in ganz Portugal.
Dieses Mal jedoch war ein besonderer Gast eingeladen; Günter Grass ist kein niemand und ich war überrascht wie viele Menschen aus anderen Ländern seine Werke kennen und sogar über den jüngsten Skandal bescheid wussten.
Die Lesung seines neusten Buches war sehr gut besucht, zum ersten Mal trafen sich alle deutschen Erasmus Teilnehmer und auch sonst war es so als ob ganz Lissabondeutsch zusammenkommt. Plötzlich parkt der Mercedes, mit Oggersheimer Kennzeichen, vor, hinter mir erzählt Matthias aus Berlin über die Siemenspleite.
Doch auch ein paar Portugiesen haben sich versammelt, weswegen die Lesung zweisprachig (also mit Powerpoint im Hintergrund) durchgeführt wurde.
Günter Grass, seineszeichen mittlerweile fast 80 Jahre alt, ist einfach ein Wohnzimmertyp, jemand der in Korthose auftritt und gemütlich seine Pfeife raucht. Schaut man jedoch auf seine Vergangenheit ist diese, nach Veröffentlichung seiner Biographie undurchsichtiger denn je. Und die Frage: "Wieso erst jetzt?" darf meineserachtens auch gestellt werden.
In der Lesung einigte man sich am Anfang über den Skandal nicht zu reden; jener Codex wurde eingehalten bis am Ende ein Portugiese eine Frage hatte:
"Ich bin in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Und Ihre Bücher haben mir in diesem Fremden Land sehr viel bedeutet. Aber wieso, Herr Grass, wieso erst jetzt?" Hierbei konnte man ihm seine Ernsthaftigkeit anfühlen, den er zitterte war sichtlich erregt. Der ganze Saal murmelte und stöhnte angesichts der "Verletzung" des Codex. Grass meinte, dass man Vergangenheit erst nach einiger Zeit betrachten kann und das jeder in der Waffen-SS war, er konnte nichts dafür...wurde am Ende seiner Sätze aber wieder unterbrochen von einem deutlichen "Ich bin sehr enttäuscht!" des Portugiesen, womit diese Lesung endete.
Ich selber bin auch der Auffassung, dass die Tatsache das man in der Waffen-SS war, nicht mit dem eigenen Willen zusammenhängen muss. Und wenn ich Günter Grass lese, weiss ich das er nicht das Gedankengut der damaligen Zeit vertritt und auch nicht vertreten hat. Genau dies meinte er auch während der Lesung: "Ich wurde reingedrängt".
Viele waren involviert, viele beteiligt, und es ist auch nicht das Thema, doch wenn man dann politische Bücher schreibt, sich selber auf der Bühne der Anprangerung von ehemaligen Faschisten bewegt, so sollte man mit seiner Vergangenheit aufräumen und sie klarstellen. Die Wahrheit im Jahre 2006 ist meines Erachtens zu spät.
Auf der anderen Seite, sind die Versuche diverser Medien, die sogar so weit gehen und Günter Grass den Nobelpreis von 1999 verweigern wollen, eine Farce. Nein, Günter Grass sollte nicht mundtot gemacht werden, doch den Zorn des Portugiesen in dem Moment der Lesung konnte ich verstehen. Ein komischer Moment wird doch all das was man vorher gelesen hat, all das plötzlich Realität und man ist mitten unter den Beteiligten.
Eine tolle Lesung, ein tolles Buch, welches ich mir nun kaufen möchte. Schöner Moment für mich. Als nächstes dann "Görn meets ???".
Nachtrag: Gerade eben erreicht mich per Email die Frage ob die nächsten die drei Fragezeichen, also Justus Jonas / Bob Andrews / Peter Shaw, sind. Ich muss verneinen.Günter ca. 1 Meter von mir entfernt am Signieren. Ist er nicht niedlich?